Elektronische Zeitschriften in Zeiten der Pandemie: Latindex und die Prüfung der editorischen Qualität wissenschaftlicher Zeitschriften

Latindex

Die Bedeutung wissenschaftlicher Zeitschriften für die Veröffentlichung und Diskussion von Forschungsergebnissen aller Art ist unbestritten. Die Covid19-Pandemie und die sich daraus auf der ganzen Welt ergebenden Beschränkungen der gewohnten Praktiken im alltäglichen Leben aber auch im beruflichen und im wissenschaftlichen Kontext lenkten in den vergangenen Monaten die Aufmerksamkeit auf die zentrale Bedeutung elektronischer Zeitschriften für den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse und als Grundlage für wissenschaftliche Lehre. Dabei handelt es sich aber nur um einen vorläufigen Höhenpunkt in einer seit Jahren beobachtbaren Entwicklung bei der Publikation von wissenschaftlichen Zeitschriften vom analogen hin zum digitalen Publizieren.

Einen wichtigen Beitrag in dieser Entwicklung bezogen auf Zeitschriften aus und über Lateinamerika, die Karibik, Spanien und Portugal leistet seit Jahren Latindex. Latindex ist ein auf die Zeitschriftenproduktion dieser Regionen ausgerichtetes Informationssystem, das basierend auf einem Netzwerk nationaler und regionaler Zentren gedruckte und elektronische wissenschaftliche Zeitschriften aber auch Fach- und Kulturzeitschriften aus diesen Regionen und aus allen anderen Ländern der Welt über diese Regionen verzeichnet und deren editorische Qualität prüft.

Die Mitglieder von Latindex, die in den weltweit 24 Zentren mit der Verzeichnung und Prüfung der Zeitschriften beschäftigt sind, arbeiten dabei in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt werden alle Zeitschriften – sowohl die gedruckten als auch die digital publizierten – mit einem umfassenden Set an beschreibenden Metadaten im sogenannten Directorio verzeichnet. Im zweiten Schritt werden alle Zeitschriften anhand eines an den aktuellen Anforderungen an editorische Qualität von wissenschaftlichen Zeitschriften orientierten abgestimmten und transparenten Kriterienkatalogs geprüft. Bis 2017 wurde diese Prüfung bei allen Zeitschriften durchgeführt. Seit 2018 werden nur noch elektronische Zeitschriften auf der Basis des seit Herbst 2018 gültigen neuen und umfassend aktualisierten Kriterienkatalogs analysiert. Die Zeitschriften, die eine festgelegte für alle gleiche Mindestzahl an Kriterien erfüllen, erscheinen dann auch im sogenannten Catálogo 2.0. Alle Zeitschriften – auch die, die diese Kriterien (noch) nicht erfüllen – sind im Directorio verzeichnet.

Da es für wissenschaftliche Zeitschriften aus und über Lateinamerika, die Karibik, Spanien und Portugal für ihre Anerkennung in den nationalen, regionalen und internationalen Wissenschaftssystemen von großer Bedeutung ist, im Directorio und besonders im Catálogo 2.0 von Latindex geführt zu werden, arbeiten sie in den letzten Jahren – besonders seit 2018 – daran, ihre elektronischen Publikationen den Kriterien von Latindex und damit den Anforderungen aus Wissenschaft und Lehre an elektronische Publikationen entsprechend zu überarbeiten und auf den neusten Stand zu bringen.

Die Möglichkeiten der im Grunde unkontrollierten elektronischen Publikation von Zeitschriften stellen Leser:innen und Nutzer:innen dieser Zeitschriften aber auch die Mitglieder von Latindex vor die Herausforderung, ernsthafte und wissenschaftlich verlässliche Zeitschriften von Publikationen mit wissenschaftlich zweifelhaften Inhalten und betrügerischer Intention zu unterscheiden. Dazu hat Latindex im Sommer 2020 einen Leitfaden zur Identifizierung und zur Behandlung solcher als revistas espurias bezeichneter Zeitschriften veröffentlich, der zwar in erster Linie eine Handlungsempfehlung für die Herausgeber:innen von Zeitschriften darstellt, aber selbstverständlich auch von den Mitgliedern von Latindex sowie Leser:innen und Nutzer:innen zur Identifikation solcher zweifelhafter Zeitschriften genutzt werden kann.

Die Veröffentlichung dieses Leitfadens, aber auch die planmäßige Durchführung der jährlich stattfindenden Reunión Técnica (21.-25.9.2020) und einer ganzen Reihe von Schulungen und Informationsveranstaltungen, die in diesem Jahr größtenteils im virtuellen Raum realisiert wurden, sind sichtbare Zeichen, dass die Arbeit von Latindex trotz der Restriktionen und Lockdowns durch die Covid19-Pandemie ohne größere Einschränkungen im gesamten Netzwerk von Latindex weitergeführt wurde und wird.

Die Virtualisierung aller Veranstaltungen stellt dabei auch eine große Chance für Latindex dar. Zum einen erleichtert sie die Zusammenarbeit im bestehenden Netzwerk, da nun alle Mitglieder von Chile bis Südkorea und von Berlin bis Montevideo an allen Workshops und Abstimmungssitzungen teilnehmen und zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit, des Prüfprozesses und der Kriterien sowie der weiteren Angebote von Latindex beitragen können. Zum anderen weil die Informationsangebote und Fortbildungsveranstaltungen von Latindex nun unabhängig vom Veranstaltungsort von interessierten Herausgeber:innen, Autor:innen, Leser:innen und sonstigen Nuterz:innen von Zeitschriften aus aller Welt genutzt werden können.

Der nächste Schritt bei der Weiterentwicklung der Angebote von Latindex ist die Überarbeitung und Aktualisierung der Website, die voraussichtlich Mitte 2021 online gehen wird.

Das Directorio und den Catálogo, die Kriterien der Qualifizierung, Ankündigungen für Veranstaltungen und alle relevanten Dokumente finden Sie auf der Website von Latindex.

Herausgeber:innen, die Ihre Zeitschrift(en) zur Aufnahme in das Directorio und den Catálogo 2.0 vorschlagen möchten, können dies über eine Eingabemaske tun.

Für Fragen stehen natürlich auch die regionalen Ansprechpartner:innen zur Verfügung. In Europa sind das:

Spanien
Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC)
csic.latindex[at]csic.es
Portugal
Fundação para a Ciência e a Tecnologia
Departamento de Relações Internacionais
oalonso[at]unam.mx
Übriges Europa
Ibero-Amerikanisches Institut Stiftung Preußischer Kulturbesitz
mueller[at]iai.spk-berlin.de

Eine Liste aller Ansprechpartner:innen von Latindex finden Sie hier.