Kosmopolit, kritischer Berichterstatter, großzügiger Schenker – Zum Tod von Armin Wertz

2019 erhielten wir eine Reihe von Schenkungen aus der Privatbibliothek des deutschen Journalisten Armin Wertz, darunter unter anderem 30 LPs  und Bücher aus und zu Lateinamerika und der Karibik sowie eine umfangreiche private Fotosammlung, die Bildmaterial in Schwarz-Weiß und in Farbe zu verschiedenen lateinamerikanischen Ländern umfasst. Dass wir diese außergewöhnlichen Dokumente der jüngeren Zeitgeschichte Lateinamerikas kürzlich für Interessierte erschließen konnten, hat Armin Wertz nun nicht mehr erfahren dürfen: Er verstarb leider am 28.2.2020 im nordfranzösischen Fourmies.

Der 1945 in Friedrichshafen geborene Wertz arbeitete nach seinem Studium der Volkswirtschaft, Politik und Mathematik zunächst als Nachrichtenredakteur für den „Stern“, bevor er es ihn in die Welt zog. Als Auslandskorrespondent für unterschiedliche Zeitungen, darunter „Der Spiegel“, „Frankfurter Rundschau“ und der „Tages-Anzeiger“ berichtete er zunächst aus Mittelamerika, Mexiko und der Karibik, dann aus Israel und später aus Südostasien, wo er bis 2015 lebte. Nicht selten fand sich Wertz im Laufe seiner unterschiedlichen Lebensstationen in bedrohlichen Situationen wieder – und kam mit dem Leben davon. Beispielsweise 2013, als er nach Syrien reiste, um vor Ort vom syrischen Bürgerkrieg zu berichten. Fast fünf Monate verbrachte Wertz in Einzelhaft in einem Gefängnis in Aleppo, bevor er, wohl durch die Vermittlung der deutschen Regierung, wieder freikam.

Nicht minder risikobehaftet war seine Tätigkeit als Auslandskorrespondent im bürgerkriegsgebeutelten El Salvador. Mehrfach reiste Wertz in den 1980er Jahren in das zentralamerikanische Land, um vor Ort von dem Konflikt, der fast 70 000 Menschen das Leben kostete, zu berichten. Wie gefährlich das Militärregime auch für ausländische Beobachter sein konnte, erlebte Wertz 1982 unmittelbar, als das niederländische Journalistenteam, das er zu einem Treffen mit Vertreter*innen der Guerilla-Gruppe FMLN gefahren hatte, in einen vom salvadorianischen Militär geplanten Hinterhalt geriet. Alle Mitglieder des Teams wurden bei diesem Angriff ermordet; Wertz verließ nur wenige Tage später nach einer Warnung des US-amerikanischen Botschafters selbst das Land und sagte später, 1993, vor der Wahrheitskommission zu dieser Gewalttat aus.

Seine Beobachtungen aus der Region fixierte Wertz nicht nur schriftlich, sondern auch mit der Kamera. Im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit entstand so eine beeindruckende Bildersammlung, zu der rund 460 überwiegend farbige Diapositive, 1400 Schwarz-Weiß-Negative, Schwarz-Weiß-Kontaktabzüge sowie weitere Fotografien in Farbe und Schwarz-Weiß zählen. Bei einem Großteil der Bilder handelt es sich um Aufnahmen aus El Salvador, darunter bedrückende, oftmals schockierende Bilder, welche die Brutalität des damaligen Militärregimes dokumentieren, sowie Fotografien, die im Zusammenhang mit Reportagen in dem zentralamerikanischen Land entstanden sind, zum Beispiel zur 1980 eingeleiteten Landreform oder den von oppositionellen, regimekritischen Guerilla-Gruppen ins Leben gerufenen Bildungs- und Sozialkampagnen. Die Kamera begleitete den deutschen Journalisten so bei seinen Berichten über die politische und wirtschaftliche Elite des Landes, bei Demonstrationen gegen das Militärregime und bei den Besuchen bei revolutionären Gruppen. Das untere Bild zeigt Wertz beispielsweise mit Mitgliedern der ERP-(FMLN) in Usulután im Jahr 1982.

Armin Wertz (Mitte) mit Mitglieder der ERP (FMLN) in Usulután, März 1982

Neben El Salvador bietet die Fotosammlung jedoch ebenfalls beeindruckende Aufnahmen aus anderen lateinamerikanischen Ländern, u.a. aus Bolivien, der Dominikanischen Republik, Grenada, Guatemala, Haiti, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama und Peru. Finden sich vereinzelt auch Landschaftsansichten, ist die Sammlung deshalb besonders, weil sie die politischen Ereignisse aus Mittelamerika und der Karibik aus den 1980er und 1990er Jahren visuell festhält. Neben Aufnahmen der US-amerikanischen Intervention in Grenada in 1983 finden sich so Darstellungen von Fidel und Raúl Castro bei Parteitagen in Kuba und Bilder der Unruhen, die auf den Sturz des haitianischen Diktators Jean-Cluade Duvaliers folgten. Insgesamt bieten die Aufnahmen, welche die politische Berichterstattung Wertz‘ begleiteten, eindrucksvolle Einblicke in die Zeitgeschichte der genannten Länder.

Ort, Motiv und Zeitpunkt der Aufnahmen sind dabei gut überliefert, denn Wertz beschriftete seine Bilder selbst. Um Interessierten den Zugang zu diesem einzigartigen Bildmaterial weiter zu erleichtern, wurde dieses zudem nach Ländern geordnet und grob thematisch erschlossen. In naher Zukunft wird die Fotosammlung von Armin Wertz auch über unseren OPAC recherchierbar sein, bis dahin können weitere Informationen zur Sammlung bei unseren Kolleg*innen in der Fotothek angefragt werden.

Dass seine Arbeitsdokumente und gesammelten Materialien auch anderen Personen zur Verfügung stehen, daran war Wertz sehr interessiert. Einen Teil seiner Privatsammlung gab Wertz, wie er in einer seiner Emails angab, so bereits in den 1990er Jahren an das Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, das bereits früh Interesse an Wertz‘ Materialien angemeldet hatte. Die Idee, Bücher und Fotos zu und aus Lateinamerika und der Karibik dem Ibero-Amerikanischen Institut als Schenkung zu überlassen, kam ihm allerdings über den Kontakt zu Marianne Braig, die als Professorin für Politikwissenschaft am Lateinamerika-Institut der FU Berlin lehrt und forscht und mit der Wertz seit seiner Studienzeit befreundet war.

Die Nachricht von dem plötzlichen Tod dieses kritischen, manchmal streitbaren, aber immer neugierig gebliebenen Journalisten, der als Auslandskorrespondent in den 1980er Jahren aufmerksam von den politischen Prozessen in Lateinamerika berichtete und so einen wichtigen Beitrag zur kritischen Berichterstattung über den Subkontinent leistete, lässt Mitarbeitende des IAI und Wegbegleiter*innen betroffen und bestürzt zurück. Letztere beschrieben Armin Wertz in ihrer Traueranzeige treffend als „Weltenbürger“ und als „Journalist mit reichem Erfahrungsschatz“. Wir sind dankbar, dass wir durch die Erschließung und Aufbewahrung seiner Materialien zur Dokumentation jenes Erfahrungsschatzes beitragen können.