Wissenswertes für Mädchen in Uruguay (1891)

Wie in anderen Ländern auch, geriet in Uruguay die Bildung der Mädchen am Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt in die Diskussion. Immer wieder wurden Stimmen laut, die die Rolle der ‚Mädchen aus gutem Hause‘ für die Erziehung künftiger Generationen thematisierte. Offenbar konnte weder die schulische noch die häusliche Bildung die jungen Frauen auf ihre Aufgaben als Ehefrauen und Mütter ausreichend vorbereiten.

Ein mit Violeta unterzeichneter Beitrag in der Zeitschrift Vida montevideana vom 9. Januar 1898 führt hierzu aus: „wir Frauen verlassen die Schule und können mit den Fingern addieren und wir multiplizieren, indem wir (…) die das kleine Einmaleins singen, an das Subtrahieren und Dividieren erinnern wir uns kaum; in der Grammatik haben wir keine Ahnung von irgendetwas, sondern sprechen wie uns der Schnabel gewachsen ist und wir schreiben nach Gehör, ohne einen Hauch von Orthographie; von Hauswirtschaft wollen wir gar nicht erst reden.” Auch Musik, Kunst und Handarbeiten, so setzt sie fort, zeitigen keine sonderlich vorzeigbaren Resultate. Die Schuld dafür tragen nach Ansicht der Autorin die gesetzgebenden Instanzen, die für Mädchen keine ausreichende Schulbildung vorgesehen hatten.
Dass hier nicht alle Politiker völlig ignorant waren, zeigt das Buch El Libro de las niñas compuesto expresamente para lectura de las Uruguayas, erschienen 1891 in Montevideo in der Imprenta del Siglo Ilustrado. Der Verfasser, Isidoro de-María (1815-1906), war außer seiner Tätigkeit als Abgeordneter auch Schriftsteller, Journalist und Pädagoge. In Form von Anekdoten, Dialogen und Geschichten spricht das Buch zahlreiche Bereiche an, die nach Ansicht des Autors für junge Frauen von Relevanz waren. Er lässt keinen Zweifel daran, was von einem ‚guten Mädchen‘ erwartet wurde, spart aber auch strittige Themen der Zeit, wie beispielsweise das Korsett, nicht aus. Interessant ist auch, welch große Rolle er dem Lesen, auch explizit dem von Zeitungen und Zeitschriften, für den Erwerb von Kenntnissen zu allen möglichen Gebieten zubilligt.

Titelblatt von El libro de las niñas
Der Autor des Buches, Isidoro de María, als Karikatur in Caras y Caretas, No29, Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portada_Caras_y_Caretas_n29._1-2-1891.jpg

Das Ibero-Amerikanische Institut hat kürzlich ein Exemplar dieses seltenen Werkes erworben, das ursprünglich, wie die Widmung sagt, ein Geschenk des Autors an Daniel García Acevedo war. Es ist zu finden im Katalog der Bibliothek: https://www.iaicat.de/XMLPRS=N/PPN?PPN=1802127518