Die Kulturzeitschriften Lateinamerikas präsentieren Weihnachten

Die Berichterstattung zum Weihnachtsfest in den lateinamerikanischen Kulturzeitschriften verdeutlicht eine Perspektive, die sichtlich europäisch geprägt war. Ein Streifzug durch die Zeitschriften und die verschiedenen Artikel zeigt uns einige Bräuche, Werte, Gedichte und Geschichten und veranschaulicht ein wenig die Weihnachtskulturen und ihre Ursprünge.

Na vespera do Natal (Pelo mundo, 1923, no.11 :9)
O presente de Natal (Pelo mundo, 1923, no.11 :30)

In einem Artikel in der argentinischen Zeitschrift Céltiga von 1931 wird allgemein von den Weihnachtsfeiertagen und Traditionen dokumentiert, viele davon auch heute üblich. Der Autor Benjamin Martínez Cadilla beginnt zu erzählen, dass die Festlichkeiten um die Geburt Jesu, dem „Sohn Gottes“, eingeleitet werden, der „blonder als die Sonne und weißer als das Fell eines Hermelins“ sei. Diese rassistisch motivierte Idealisierung wurde über Jahrhunderte verbreitet und entspricht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen [1] sehr wahrscheinlich nicht der Realität, da Jesus aus dem Nahen Osten kam, dementsprechend vermutlich nicht hellhäutig war. An Heiligabend, der Nochebuena, wird die „Misa de Gallo“ gesungen, um anschließend den „wichtigsten Tag des Jahres“ einzuleiten, den Weihnachtstag (25. Dezember). Am 31. Dezember wird dann der Übergang zum neuen Jahr gefeiert, der mit zwölf Glockenschlägen eingeleitet wird. Als Metapher für das neue Jahr tritt der „kleine Kerl“, in der Tracht eines Stierkämpfers, einem traje de luces (Anzug aus Licht), auf und versucht, mit seinen Hoffnungen und Illusionen die schwierigen Dinge des Lebens zu meistern. Zusätzlich, berichtet der Autor, dass die Beschneidung Jesu von der katholischen Kirche gefeiert wird. Tatsächlich wird in den orthodoxen Kirchen auch heute noch das sogenannte Beschneidungsfest zum 1. Januar gefeiert.

Die Festlichkeiten enden am ersten Tag seiner Erscheinung am 5. Januar, die Nacht der Heiligen Drei Könige, in der die Monarchen aus den damals bekannten Erdteilen Asien, Afrika und Europa, Caspar, Melchior und Balthasar das Jesuskind besuchen. Deswegen sei dieser Tag derjenige, an dem die Kinder Geschenke erhalten, so der Artikel. Auspacken dürfen sie sie aber erst am nächsten Tag. [2] Bis heute ist der 6. Januar der Tag der Heiligen Drei Könige, ein wichtiger Feiertag und Bescherungstag. Tatsächlich war der 25. Dezember wohl auch nicht der Tag Jesu Geburt, man vermutet, dass er eher um den 6. oder 7. August und sogar 6 oder 7 Jahre vor dem Jahr 0 geboren wurde, da er im Alter von 37 oder 36 im Jahre 30 gestorben zu sein scheint. [3] Andere Quellen sagen wiederum, dass Jesus von Nazareth im Frühling am 28. März geboren wurde. [4] Warum also das Datum im Dezember?

La Adoracion de los Reyes Magos (Prisma, 1907, no. 30 :4)
Natal de 1925 (Pelo mundo, 1925, No.11)

Letztendlich war das Weihnachtsfest zwar augenscheinlich vom Christentum beeinflusst und sollte mit der Geburt Jesu verknüpft werden, obgleich es schon zu Zeiten der Römer die sogenannten Mittwinter-Festlichkeiten/ Wintersonnenwendefeier gegeben hat, die vor allem auf dem europäischen Kontinent gefeiert wurden. Der kalte, dunkle Winter war seinerzeit ein Überlebenskampf, in dem ein Fest mit Essen und Lichtern mit neuer Hoffnung verbunden war. Immerhin werden nach der Sonnenwende am 21. Dezember die Tage wieder länger und der Winter ist zur Hälfte überstanden. Die Ägypter feierten sie ebenfalls als Geburtstag des Sonnengottes, des Sol invictus. [5] Insofern sind die Festlichkeiten im Dezember eher von den geographischen Verhältnissen geprägt worden, die durch die Sonnenwende auf der Nordhalbkugel die Mitte des Winters kennzeichnen.  

Drei verschiedene Weihnachtstraditionen in Lateinamerika

In diesen drei Illustrationen werden die Weihnachtsfeste in drei lateinamerikanischen Ländern verglichen, um Unterschiede hervorzuheben und womöglich das nationale Identitätsgefühl zu steigern, aber auch das verbindende Element des Katholizismus zu betonen. So ist in Argentinien das Weihnachtsfest eher simpel und üblich, dass der „Mann vom Land“, der nah an der Erde wohnt vor der „göttlichen Krippe niederkniet“. Anschließend drückt er seine Freude mit Geschicklichkeit in den „bunten Tänzen“ aus, so die Beschreibung.

In Chile wird nach den religiösen Zeremonien der kleinen Ortschaften draußen unter einem wunderbaren Sommerhimmel getanzt. Die typischen Trachten leuchten und schwingen bei der Musik der „Cuenca“ – ein typischer chilenischer Paartanz.

In Brasilien sehen wir die traditionelle „Misa de Gallo“, die Messe am Heiligabend. Der Brauch beinhaltet sich bei freiem Himmel an den Altar vor die Kirchen zu stellen.[6]


Ferias de Navidad en Alemania (PBT, 1910, No. 318 :35)

Deutsche „Geschenkkultur“

In einer uruguayischen Zeitschrift wird vom deutschen Weihnachtsfest berichtet. Da Deutschland das Land der Spielzeuge sei, sei es auch das der Geschenke. Die Deutschen würden demnach riesige Spielzeugmessen veranstalten, bei denen die verwöhnten Kinder herumlaufen und ihre Spielzeuge aussuchen, um hoffnungsvoll auf diese zu warten. Ferner zieht der Autor einen Vergleich zwischen dem Weihnachtsfest armer und reicher Kinder, um auf die eigentlichen Werte des Festes aufmerksam zu machen. Nachdem er auf die Unterschiede eingeht, fragt sich der Autor am Ende, warum das „Weihnachtsfest der Armen“ nicht mehr Aufmerksamkeit erfahre, denn ihre Weihnachtsfeste seien schön, bezaubernd und menschlich. [8] Der Autor stellt Deutschland als eine Art Weihnachtsvorbild dar, um gleichzeitig darauf aufmerksam zu machen, dass die Werte, die den Reichen fehlen würden, das Entscheidende am Weihnachtsfest sind und romantisiert die Armut.


Papae Noel e os seus presentes (Pelo mundo, 1924, no. 11: 56)

Página infantil (Fray mocho, 1917, no 296 :22)

Weihnachtsbaum

Ein weiterer Artikel erzählt von der Tradition des Weihnachtsbaumes, die demnach aus dem Elsass käme, ursprünglich aus den Anfängen des 17. Jahrhunderts. In Straßburg habe man in den Häusern Tannen aufgestellt, an denen Rosen, Äpfel und Hostien befestigt waren, denn der Legende nach würden alle Pflanzen an Heiligabend wie durch ein Wunder Blätter tragen. Die Dekoration des Weihnachtsbaumes mit Lichtern (Kerzen), welcher auf die jüdische Tradition des Lichterfestes, Chanukka, zurückzuführen sei, erfolgte erst Mitte des 18. Jahrhunderts, als der Brauch sich in Europa verbreitete. Im 19.Jahrhundert habe die Prinzessin Elena von Mecklenburg, Herzogin von Orleans, die Tradition nach Paris gebracht, um mit der Kaiserin Eugenia das Weihnachtsfest zu zelebrieren. Zur selben Zeit habe Prinz Albert, Ehemann der Königin Victoria, den Tannenbaum am englischen Hof eingeführt und schnell die englische Aristokratie und Bourgeoisie dafür begeistern können. Danach verbreitete sich die Tradition rasch über die Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen und in alle lateinamerikanischen Länder, so der Artikel. [9]

Tatsächlich kommt die Tradition des Weihnachtsbaums wahrscheinlich schon von den alten Ägyptern, die bereits in ihren Jahresendfeiern 12 Palmenäste – einen für jeden Monat – pyramidenförmig stapelten und diese in einer Zeremonie in Ehre des Gottes Tor anzündeten. Die Tradition wurde etappenweise modifiziert bis wir Mitte des 18. Jahrhunderts zu dem Weihnachtsbaum kamen, wie wir ihn heute kennen.[10]


O presente do Papá Noel (O beija Flor, 1916, no. 1 :9)

Weihnachtstradition im Balkan

In einem weiteren Zeitungsausschnitt wird Weihnachten im Balkan kurz porträtiert. Einer der beschriebenen Bräuche ist demnach der „lanzamiento de Kutjé“, bei dem jede Familie einen Teig aus Weizen, Honig und Marmeladen zubereitet. Bevor dieser gebacken wird, nimmt der Vater eine Hand voll Teig und schmeißt ihn an die Decke. Wenn der Teig an der Decke hängen bleibt, ist das ein gutes Zeichen und bringt den Familienmitgliedern Freude und Glück. Wenn er abfällt, müssen sie großes Leid befürchten.[7] Ob diese Tradition noch heute existiert, ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen.

La gran colección de felicitaciones (La risa : 21)

Capa de Revista (Colibri, 1924, no. 24 )

Weihnachtswünsche für Jedermann*frau

In einer Zeitschrift „La risa“ wurde eine Sammlung aus besten Wünschen für das Weihnachtsfest zusammengeschrieben. Für unterschiedlichen Personenkonstellationen wurde ein kleines Weihnachtsgedicht verfasst, als Geschenk an die auserwählte Person. Von den Kindern an den Vater, an die Mutter, von den Enkeln an ihre Großeltern, von den Neffen und Nichten an ihre Onkel und Tanten, an eine*n Freund*in, ja sogar an einen Richter oder den Müllmann. Interessant ist, dass hier beispielsweise die Wünsche der Kinder an den Vater Zuneigung und Unterwürfigkeit bekunden, die Wünsche an die Mutter einen Anspruch auf ihre Zufriedenheit äußern. Dem Opa wünscht man langes Leben, die Oma wird hingegen aufgefordert Freude zu haben und das Fest zu zelebrieren. Dem Onkel wird der Ausdruck der ehrlichen Wertschätzung und Zuneigung geschenkt, die Tante erhält Glückwünsche und einen Hinweis auf die Feierlichkeiten.[11]

In diesem Sinne, wünschen wir Ihnen schöne Feiertage mit wenig Stress und viel Entspannung und Gesundheit für das neue Jahr! Hier noch ein kleiner Zusatz in Form eines Weihnachtscomics:

Un regalo de navidad (PBT, 1910, no. 318 :145)

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Bibliographie

Betto, Frei (2013). Fome de fé e espiritualidade no mundo atual. São Paulo: Paralela.

Céltica, 1931, no. 168 :20

El hogar, 1946, no.1940 :62

Fray mocho, 1920, no. 402 :41

Forbes, David Bruce (2008). Christmas: A Candid History. University of California Press.

La risa, :21

Mundo argentino, 1915, no. 258 :21

O Beija-Flor, 1916, no. 1 :18

Oliver, H. William (2014). Reconsidering the Skin Colour (Race) of Jesus and his Ancestors. In: Journal of Early Christian History, Vol. 4, No. 2. Pretoria: Unisa Press.

PBT, 1910, No. 318 :37

Talfe, Alvaro (2000). El libro de la Navidad. Mérida: Producciones Karol.


[1] Oliver, S. 112

[2] Céltica, 1931, no. 168 :20

[3] Betto, p. 98

[4] Förster, p. 28

[5] Forbes, p.4

[6] El hogar, 1946, no.1940 :62

[7] Fray mocho, 1920, no. 402 :41

[8] PBT, 1910, No. 318 :37

[9] Mundo argentino, 1915, no. 258 :21

[10] Talfe, p. 21

[11] La risa, :21