Comics # 5: Fünf südamerikanische Länder, fünf Kindheitshelden

Für die Weihnachtszeit haben wir uns für unsere Comic-Reihe etwas Besonderes ausgedacht: In der Zeit der leuchtenden Kinderaugen hoffen wir, vielleicht auch Ihre Augen etwas zum Leuchten zu bringen – mit der Vorstellung einiger Kindheitshelden des lateinamerikanischen Comics.

1. Kolumbien – Copetín

Der bekannteste kolumbianische Comicheld ist Copetín, ein Straßenjunge aus Bogotá, der von Ernesto Franco auf Grundlage einer realen Person erschaffen wurde: „Una vez que tenía un restaurante en la calle 17, iba un muchachito ahí, iba a pedir plata y comida, y era por el estilo de Copetín, un niño gordito, monito, me inspiró para hacer la historieta.” Die Copetín-Comics behandeln das tägliche Leben des pummeligen, sommersprossigen und liebenswürdigen Jungen auf den Straßen des bogotanischen Stadtteils San Diegos. Mit oft schwarzem Humor spielt Copetín dabei auf verschiedene soziale Probleme in Kolumbien, etwa die soziale Ungleichheit oder die mangelnde öffentliche Sicherheit, an. Eine Besonderheit der Copetín-Comics sind auch die Details im Hintergrund der Bilder: Während die Hauptfiguren im Vordergrund sprechen, sieht man im Hintergrund z.B. Leute auf ein Taxi warten oder sich sogar von einem Hochhaus stürzen. Der erste Copetín-Comic erschien am 16. April 1962 in der Zeitung El Tiempo. Nach über 30 Jahren in El Tiempo erschien Copetín für weitere 4 Jahre in El Espectador und in Vea, bis er schließlich eingestellt wurde.

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2. Peru – El supercholo

In Peru etablierte sich der Comic als Massengenre ab den späten 1950er-Jahren. Eine der wichtigsten Figuren ist El Supercholo, ein Superheld nach dem nordamerikanischen Vorbild Superman. Adaptiert auf die peruanische Welt, ist El Supercholo ein peruanischer Hochlandbewohner mit entsprechender Kleidung wie Poncho und andiner Mütze und oft einem Lama als Begleitung. Die Abenteuer, die El Supercholo erlebt, berühren einerseits alltägliche Themen des peruanischen Lebens, erstrecken sich aber auch bis in den Bereich der Science Fiction, etwa wenn El Supercholo an einem interplanetarischen Fußballturnier teilnimmt. Die Supercholo-Comics erschienen von 1957 bis 1966 in der Sonntagsbeilage der traditionsreichen Tageszeitung El Comercio und erreichten so eine riesige Reichweite. In den 1980er-Jahren wurden die Geschichten um El Supercholo, wieder in El Comercio, fortgesetzt.dominical06SUPERCHOLO - HONIGMAN 7.jpg

3. Chile – Condorito

Erstmals 1949 veröffentlicht, wurde Condorito zunächst in Chile und später in ganz Lateinamerika populär. Die Hauptfigur Condorito ist ein Mischwesen aus dem Nationalvogel Chiles, dem Andenkondor, und einem Menschen. Condorito ist gesellig, trinkfreudig und etwas arbeitsscheu, auf der anderen Seite aber auch ehrlich und aufrichtig. Damit verkörpert er das Stereotyp des “einfachen” Chilenen vom Land und karikiert es auf positive Weise. Condorito lebt in der fiktiven Stadt Pelotillehue und hat dort mit den Tücken des alltäglichen Lebens zu kämpfen. Die Situationen, in die er gerät, enden meist unerwartet und lustig – allerdings oft auf seine Kosten, denn in der Regel ist es er, der die Niederlage kassiert. Das lautmalerische „Plop!“, mit dem am Ende jeder Geschichte eine Person in Ohnmacht fällt, ist bis heute neben der Hauptfigur selbst eines der wesensprägenden Merkmale der Zeitschrift. Die ersten Condorito-Comics erschienen in der Zeitschrift Okey, erst 1955 bekam Condorito seine eigene, gleichnamige Zeitschrift – die noch heute im zweiwöchigen Rhythmus erscheint.

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4. Argentinien – Patoruzú und Patoruzito

Federschmuck auf dem Kopf, gelber Poncho, rote Flip Flops, blaue Hose und immer zwei Bolas am Gürtel – das ist Patoruzú. Die Geschichten um den wohlhabenden, großherzigen und etwas naiven Tehuelche-Häuptling, der aus Patagonien stammt und nun in Buenos Aires lebt, haben mehrere Generationen von ArgentinierInnen fasziniert. In Erscheinung trat Patoruzú erstmals bereits 1928, allerdings zunächst noch als Nebenfigur im Comic Don Gil Contento. Aufgrund seiner großen Beliebtheit bekam er aber 1931 eine eigene Serie und 1936 sogar eine eigene Zeitschrift. Zu Beginn erschien diese noch monatlich, bald jedoch schon im wöchentlichen Rhythmus. Patoruzú verkörpert wie kein anderer nationale argentinische Ideale wie Edelmut, Güte, Großzügigkeit und Heimatverbundenheit. Ab 1945 bekam Patoruzú einen eigenen Ableger speziell für Kinder, Patoruzito. In der modernen Terminologie handelt es sich dabei um ein Prequel zu Patoruzú, denn es geht um die Kindheit der berühmten Vorlage. Patoruzito brachte es schließlich zu einem vergleichbar hohen Bekanntheitsgrad wie Patoruzú. 1977 wurden beide Zeitschriften nach jeweils über 1000 Heften eingestellt.

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5. Paraguay – Ivo, el piloto audaz

Ivo, el piloto audaz ist nicht nur einer der wichtigsten Comics Paraguays, er war 1964 sogar der erste. In den Geschichten bestreitet der furchtlose Flugzeugpilot Ivo lustige Abenteuer in der Luft und auf der Erde. Wo immer er mit seinem Flugzeug landet, sorgt er mit seinem Einfallsreichtum für Gerechtigkeit. Ivos Schöpfer, der Zeichner Tata (Aníbal Ferreira Menchaca), wurde durch seinen Beruf zur Geschichte inspiriert: “Resulta que yo trabajaba en una empresa de aviación, volaba en LAN y ahí conocí a todos los personajes de la historieta.” Ivo, el piloto audaz erschien in Farolito, der ersten Zeitschrift für Kinder in Paraguay. Zum nachhaltigen Erfolg des Comics hat auch der Umstand beigetragen, dass er unter dem repressiven Stroessner-Regime (1954-1989) einerseits eine Nische für Humor bot und andererseits für freiheitliche Werte und Gerechtigkeit stand.

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Im Ibero-Amerikanischen Institut finden Sie zu allen der vorgestellten Figuren entsprechende Bestände – sei es zu wissenschaftlichen oder zu nostalgischen Zwecken.  Wir wünschen Ihnen eine frohe Weihnachtszeit melden uns im neuen Jahr mit weiteren Beiträgen zum Thema Comics!