Comics # 7: RevolutionärInnen und PräsidentInnen als ComicheldInnen

Die Bandbreite der in Comics behandelten Themen ist im Laufe ihrer Geschichte ungemein vielfältig geworden – es gibt kaum ein Thema, was es in Comics nicht gibt. Neben Superhelden, Kriminalfällen, Horrorgeschichten, Science Fiction und vielen weiteren Stoffen haben sich Comics auch immer wieder der Darstellung von geschichtlichen Ereignissen gewidmet – und formen diese genrespezifisch aus.

Aufhänger für geschichtliche Darstellungen im Comic sind meist die mit ihnen im Zusammenhang stehenden zentralen historischen Persönlichkeiten. Neben der zentralen Figuren der Eroberung Amerikas und der nationalen Unabhängigkeitsbewegungen sind auch die großen, teils polarisierenden politischen Persönlichkeiten der jüngeren Geschichte ein besonders häufig gewählter Stoff. Sie werden zu den (oft titelgebenden) Hauptfiguren, um die herum sich die Ereignisse abspielen. Ausschnitte und biographische Sequenzen aus ihren Leben werden in den Comics neu erzählt. Die Bildsprache nutzt dabei oft Originalfotos als Vorlagen und reichert diese mit weiteren, fiktiven Bildern an. Auch die Sprechblasen enthalten zum Teil Originalzitate.

Bereits 1968 und 1970 erschienen etwa die wichtigen Comics über den Che Guevara und über Eva Perón von Héctor Germán Oesterheld in Argentinien. Bei beiden handelt es sich um biographische Comics, die eine deutliche ideologische Zielsetzung verfolgen; die Hauptfiguren werden in ihren Taten und Worten zu HeldInnen stilisiert. Aufgrund der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) wurden beide Comics schnell verboten, jedoch in jüngerer Zeit mehrfach neu veröffentlicht. Oesterheld blieb seinerseits jedoch einer der desaparecidos der Militärdiktatur.

Von einer ähnlichen ideologischen Prägung sind der Comic La vida ilustrada de Hugo Chávez Frías (2012), der den Putsch gegen Chávez im Jahr 2012 thematisiert und von der venezolanischen Regierung veröffentlicht wurde, sowie La batalla del Che von 1989, das in Kuba selbst erschien und sich auf die entscheidende Schlacht von Santa Clara im Jahre 1958 bezieht:

Eine humoristische Bearbeitung erfährt die Biographie des mexikanischen Gewerkschaftsführers Fidel Velázquez (1900-1997) im Comic Fidel. Una biografía von José Luis Trueba Lara. Das nur kurz nach Velázquez‘ Tod erschienene Werk beginnt mit ebendiesem und schildert in der Folge dessen gesamtes Leben.

Einen eher kritisch-karikaturistischen Ton schlägt der Comic von John Miller über Juan Perón, erschienen 1994 in Mexiko, an:

Eine ganze Graphic Novel widmet sich der Präsidentschaft von Salvador Allende in Chile. Aus der Sicht des US-amerikanischen Auslandskorrepondenten John Nitsch erzählt Los años de Allende (2015) detailliert die Ereignisse von der Wahl Allendes im Jahr 1970 bis zum Putsch im Jahr 1973 nach. Die Perspektive einer neutralen dritten Person soll die Grundlage für eine möglichst objektive Schilderung der Ereignisse bieten.

Eine kindliche Perspektive nimmt der Comic Nada vale más que la vida. Pepe Mujica aus dem Jahr 2018 ein. Statt José Mujica in seiner Funktion als (Ex-)Präsident Uruguays darzustellen geschieht der Zugang über den Beruf Mujicas als Blumenzüchter: Ein Junge trifft auf der Suche nach seinen Freunden auf ein Gewächshaus, in dem Pepe Mujica an seinen Blumen arbeitet. Er darf beim Pflegen der Blumen helfen und Mujica erzählt ihm dabei Lebensweisheiten, z.B. über die wichtigen Dinge im Leben und um den guten Umgang miteinander. Mit der pädagogischen Zielsetzung über gute Werte geht bei diesem Comic eine Überhöhung Mujicas als Verkörperung dieser Werte einher.

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Cover von Nada vale más que la vida (2018); abgebildet sind auch Mujicas Hund und sein VW Käfer

Auch in Comics nicht lateinamerikanischen AutorInnen haben politische Persönlichkeiten aus Lateinamerika Eingang gefunden. So widmet sich z.B. auch die deutschsprachige Graphic Novel Castro (2010) von Reinhard Kleist der kubanischen Revolution. Sie gruppiert die Ereignisse im Gegensatz zu den oben genannten Comics um die zweite wichtige Symbolfigur der Revolution, Fidel Castro. Interessanterweise geschieht die Schilderung auch hier aus der Sicht eines neutralen Dritten, und zwar des deutschen Journalisten Karl Mertens.

Die Bibliothek des IAI verfügt über eine Vielzahl weiterer biographischer und historischer Comics. Mit Visual etwa findet sich z.B. eine ganze mexikanische Publikationsreihe, die sich der Comic-Bearbeitung von Biographien bekannter Persönlichkeiten widmet. Neben dem oben erwähnten Juan Domingo Perón erschienen in dieser Reihe unter anderem Comics zu Lázaro Cárdenas del Río, Porfirio Díaz, Pancho Villa, Emiliano Zapata, Luis Donaldo Colosio.

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Ausschnitt aus La batalla del Che (1989) – Weitere Informationen finden Sie in Ihrer Bibliothek!